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Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv

Vor 100 Jahren ... (Mai 1916) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt

 66. Jahrgang (1916)  (Rechtschreibung im Original)

02. Mai 1916
Wie leichtsinnig manche Menschen mit dem Leben und der Gesundheit ihrer Mitmenschen umgehen, davon erhielt man gestern nachmittag wieder einen Beweis. Als der kurz nach 8 Uhr unseren Bahnhof verlassende Chemnitzer Personenzug die Überführung an der Lungwitzer Straße überfuhr, wurde aus einem Wagen heraus ein Bierglas geworfen. Das Glas flog auf die Straße und zerbarst, sodaß die umherfliegenden Glassplitter einige auf der Straße spielende Kinder trafen. Dabei erhielt der 8jährige Sohn eines dort wohnenden Kriegsinvaliden mehrere Glassplitter in das Gesicht und den Hals und erlitt erhebliche Verletzungen. Wünschenswert wäre es, wenn derartige Frevler ermittelt werden könnten.

03. Mai 1916
Sein 25jähriges Amtsjubiläum konnte jetzt ein Sohn unserer Stadt, der Gemeindevorstand von Hartmannsdorf b. Burgstädt Herr Ernst Lässig, begehen. Dem geachteten Jubilar, der seine berufliche Ausbildung in der Verwaltung seiner Vaterstadt Ernstthal erhielt, wurden viele Ehrungen bereitet. So errichtete u. a. auch der dortige Gemeinderat eine Lässig-Stiftung zum Andenken an den Jubilar und zum Besten für bedürftige Ortseinwohner.

05. Mai
Freche Diebstähle wurden in den letzten Tagen hier verübt. In dem einen Falle wurde am Mittwoch ein Kinderwagen, der in einem Hausflur in der König Albert Straße stand, der Betten und der Wagendecke beraubt. Sie haben weißen Überzug, eins davon weiße Spitze, die Inletts sind rot-gestreift. Bezüglich des Täters hat man keinen Anhalt. Gestern vormittag besaß ein Schulmädchen, das eine schwarze Handtasche bei sich trug, die Frechheit, auf der Schulstraße einem kleineren Mädchen die Ohrringe – Herz mit eingravierten Veilchen – aus den Ohren zu ziehen und mit sich zu nehmen. Wer irgendwelche Beobachtungen über diese Diebstähle gemacht hat, möge dies der Polizei mitteilen.

10. Mai 1916
Über ein neues Gemüse wird geschrieben: Am Ende des 18. Jahrhunderts waren in Berlin ähnliche Ernährungsschwierigkeiten wie heute. Allerdings aus anderen Ursachen. Mißernten der Kartoffeln und Ueberschwemmungen in den Gemüsegegenden der Mark, die sonst Berlin so reichlich versorgte, veranlaßten die Regierung, auf Hilfe zu sinnen. Einer der damals gemachten Vorschläge ging dahin, das Kraut der Mohrrüben, das bisher nur als Viehfutter gebraucht wurde, als Gemüse zur Ernährung der Menschen zu benutzen. Der „Staatsanzeiger“ wies ausdrücklich darauf hin, daß das Mohrrübenkraut, wie Spinat zubereitet, eine sehr nahrhafte und angenehme Speise sei, und Stimmen aus dem Publikum bestätigten, daß dieses Gericht tatsächlich viel schmackhafter und bekömmlicher sei als Spinat. Nun, bald werden auch wir dies ausprobieren können!

11. Mai 1916
Gestern ward hier ein stellenloser Handlungsgehilfe aus Schwaben verhaftet, der sich in einem hiesigen Gasthause der Zechprellerei schuldig gemacht hatte. Bei ihm fand man Rechnungsformulare einer hiesigen Firma, die er in einer Steindruckerei gestohlen hatte und die er wahrscheinlich zu unlauteren Zwecken zu benutzen dachte.

22. Mai 1916
In der Versorgung unserer Einwohnerschaft mit Brot hat sich jetzt ein Zustand herausgebildet, der auf jeden Fall so schnell wie möglich zu einer Besserung geführt werden muß. Waren viele Haushaltungen bereits am Sonnabend ohne Weißbrot, so gesellte sich gestern und heute zu diesem Mangel auch noch das Fehlen von Schwarzbrot in einer großen Zahl von Bäckereien nicht nur in einzelnen. Mehrere Bäcker haben ihre Betriebe vorübergehend geschlossen, weil ihnen für diese Tage kein Mehl zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Tatsache, daß nicht genug Mehl vorhanden ist, hat nach einer uns von beteiligter Seite gewordenen Mitteilung ihren Grund in der erhöhten Einwohnerzahl, die unsere Stadt während des Osterfestes aufzuweisen hatte, und für die den Bäckern keinerlei Mehlzulage gewährt wurde. Der in Hohenstein-Ernstthal geborene Leutnant Fritz Friedemann, Sohn des früher in Hohenstein-Ernstthal tätigen, jetzt in Gautzsch bei Leipzig ansässige Kaufmanns Albert Friedemann, hat von Gr. Majestät dem König von Sachsen das Ritterkreuz 2. Klasse vom Albrechtsorden verliehen bekommen. Leutnant Friedemann ist zurzeit mit Führung einer Proviantkolonne in Makedonien beauftragt; er trat als Kriegsfreiwilliger, 18jährig, sofort nach Kriegsausbruch ein und hat den Feldzug in Serbien und Makedonien mitgemacht. 29. Mai 1916 Mit der örtlichen Arbeitslosigkeit, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenunterstützung beschäftigte sich eine am Sonnabend abend im Gasthause „ Zur Zeche“ stattgefundene Versammlung der organisierten Textilarbeiter. Es soll möglichst darauf hingewirkt werden, daß, mit Rücksichtnahme auf die Teuerung, die Arbeitslosenunterstützung erhöht und erweitert wird. Auch soll erwirkt werden, daß die Arbeitslosenunterstützung auf das Reich übernommen wird. In dieser Angelegenheit tagt am 4. Juni in Dresden eine Konferenz von Beisitzern der sächsischen Gemeindearbeitslosenfürsorgeausschüsse und wurde hierzu Herr Wilh. Köhler jun. von hier als Abgeordneter gewählt. In einem Schreiben teilte Herr Reichstagabg. Jäckel mit, daß die Gründe, warum die hiesige Handweber-Genossenschaft noch keine Heeresaufträge erhalten habe, darin liegen, daß die Heeresverwaltung Aufträge in den letzten Monaten nur in sehr beschränkter Anzahl herausgegeben habe und auch in Zukunft damit nicht zu rechnen sei.

31. Mai 1916
Ein Fahrradmarder in Uniform hat, wie wir meldeten, kürzlich die ganze hiesige Gegend unsicher gemacht. Es handelt sich, wie bis jetzt festgestellt werden konnte, um einen fahnenflüchtigen Soldaten namens Schmiedel, der zu Unrecht die Unteroffiziersabzeichen trägt. Er hat eine lange Reihe von Fahrraddiebstählen auf dem Gewissen. Eine ganze Zahl von Rädern konnte, ohne daß man des Diebes habhaft zu werden vermochte, bereits in solchen Fällen ihren Besitzern wieder zugestellt werden, wo man ihren Verbleib feststellte. Von diesen Rädern harrt nun aber noch eines seines Eigentümers. Der am 23. Mai bestohlene Soldat, dessen Rad der Dieb vor der „ Altdeutschen Trinkstube“ mitgehen ließ, hat sich noch nicht bei der Polizei gemeldet.