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Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv

Vor 100 Jahren ... (April 1920) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt

 70. Jahrgang (1920)  (Rechtschreibung im Original)

02. April 1920
Das städtische Lebensmittelamt schreibt uns: Die Beschaffung von Tüten durch die Kleinhandelsgeschäfte bereitet fortgesetzt große Schwierigkeiten. Abgesehen von den hohen Preisen, ist es nicht immer möglich, Tüten zu erhalten. Im volkswirtschaftlichen Interesse und mit Rücksicht auf den Mangel an Tüten wird den Verbrauchern dringend empfohlen, beim Einkauf von Waren leere Tüten oder andere Behältnisse mitzubringen. Den Geschäftsleuten kann auf Ansuchen gestattet werden, den Betrag für 1 Tüte bezahlt zu verlangen.

14. April 1920
Unter Leitung des Herrn Lehrer Linke fand gestern abend 8 Uhr im „Schützenhause“ eine Versammlung aller ortsständigen Jugend- und Turnvereine statt, die sich mit der Frage körperlicher Ertüchtigung und Gesundung unserer Jugend eingehend beschäftigte und als erstes und wichtigstes Ziel die Beschaffung eines zweckentsprechenden größeren Spielplatze ins Auge faßte. Da regierungsseitig und behördlich bisher nur wenig oder gar nichts zur Ausgestaltung der Jugendpflege getan worden ist, soll laut Beschluss vom 9. Mai mittags unter Beteiligung aller jugendlichen Kooperationen in hiesiger Stadt ein „Sternlauf“ erfolgen, der sich am Altmarkt zentralisiert und zu einer Massenkundgebung unserer Jugend führt. Deklamationen und musikalische Darbietungen werden den Tag ausschmücken. Alles Weitere wird später noch bekannt gegeben.

16. April 1920
Reichswehr in Hohenstein-Ernstthal Heute früh in der siebenten Stunde ist eine gemischte Abteilung der Reichswehr unter Befehl des Herrn Major Fiedler mit klingendem Spiele in unserer Stadt eingerückt. Der Einmarsch, der unter Vermeidung von Chemnitz vor sich ging, ist auf Befehl der sächsischen Regierung und des Wehrkreiskommandos sowie auf Grund des über die Amtshauptmannschaft Glauchau verhängten Ausnahmezustandes erfolgt. Veranlassung zu dem militärischen Vorgehen wie zur Verhängung des Ausnahmezustandes sind in erster Linie die Unruhen gewesen, die sich in Glauchau zugetragen und die zu Diebstählen an Heeresgut geführt haben.Des Weiteren obliegt der Truppe, wie uns vom Kommando derselben mitgeteilt wird, die Aufgabe die zum Teil der hiesigen Einwohnerschaft verteilten Waffen und Munition wieder herbeizuschaffen. Der Truppe ist ganz besonders eingeschärft worden, der Bevölkerung gegenüber das entgegen kommendste Verhalten zu zeigen, und sich streng auf ihre vorgeschriebenen Obliegenheiten zu beschränken.

Insbesondere wird es Aufgabe der Truppe sein, der Einwohnerschaft unserer Stadt durch Ihr Verhalten die Gewähr zu geben, dass die Reichswehr das Vertrauen der Bevölkerung verdient und das sie bestrebt ist, sich dieses Vertrauen in immer weiterem Maße zu erwerben. Um jeden Zweifel zu beseitigen, sei noch hervor gehoben, das die Truppe nicht von der Verwaltung unserer Stadt nach hier gerufen worden ist, sondern das sie auf Befehl der Regierung in den Bezirk der Amtshauptmannschaft Glauchau einmarschiert ist.

17. April 1920
Die gestern früh hier eingerückte gemischte Abteilung der Reichswehr ist heute morgen in der sechsten Stunde in westlicher Richtung wieder abgezogen. Die Anwesenheit der Truppe hatte in den Abendstunden viele Menschen auf die Beine gebracht, die sich, als der Marktplatz geräumt wurde, in die Nebenstraßen zurückgezogen. Hierbei fielen von Seiten eines Soldaten vier Schreckschüsse. Gegen elf Uhr ertönte vom Norden her wiederum eine Anzahl Schüsse über deren Urheber und Veranlassung wir nichts in Erfahrung bringen konnten. Festgenommen wurde gestern ein Mann, der in einem hiesigen Pfandleihgeschäft Kleidungs- und Wäschestücke versetzt hat, die von der Plünderung der Glauchauer Kaserne herrührten. Soweit die Sachen Heeresgut waren, wurden sie von der Reichswehrabteilung beschlagnahmt und mitgenommen.

20. April 1920

27. April 1920
AUFRUF! Die Wohnungsnot hat in unserer Stadt einen Umfang angenommen, der unbedingt zu einer Katastrophe und Zwangsmaßnahmen führen muß, wenn nicht beizeiten Abhilfe geschafft wird. Während einerseits furchtbarer Raummangel herrscht, besteht andererseits verschwenderischer Zimmerluxus. Der unterfertige Stadtrat und Wohnungsausschuß richtet nun an alle Hausbesitzer und Inhaber größerer Wohnungen die dringende Bitte, an ihrem Teile zur Beseitigung der Notlage beizutragen.