Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv
Vor 100 Jahren ... (Februar 1915) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
65. Jahrgang (1915) (Rechtschreibung im Original)
03. Februar 1915
Als Vorsteher unseres Kaiserlichen Postamtes wurde Herr Polizeidirektor Michael vom Postamt Leipzig 8 nach hier versetzt und hat heute sein neues Amt übernommen. Herr Postdirektor Michael ist der neunte Vorsteher, seit unsere Post zum Postamt 1. Klasse erhoben wurde. Nachdem die frühere Postmeisterei*1 im Kunze-Gut in der Poststraße (jetzige Bismarckstraße*2) und im Vetterschen Hause am Altmarkt ihre Diensträume lange Jahre hindurch innegehabt hatte, siedelte Mitte der 60er Jahre die „alte sächsische Post“ unter Postmeister Schulze ins Bahnhofsgebäude über. Als die Staatseisenbahnverwaltung die Räume im Bahnhofsgebäude selbst benötigte und der sich steigernde postalische Verkehr von selbst und ein eigenes Heim erforderte, ging man 1886 an die Errichtung des Postgebäudes in der Schubertstraße, das im Oktober 1887 bezogen werden konnte. Ursprünglich sollte das Postgebäude in dem Baumgärtelschen Grundstück da, wo das alte „Trockenhaus“ stand, seinen Platz finden. Die Verhandlungen mit dem damaligen Besitzer führten zu keinem Ergebnis und so übernahm eine Gesellschaft den Postneubau auf eigene Rechnung, nachdem die Platzfrage eine befriedigende Lösung gefunden hatte. Seit dem Jahre 1901 ist das Postgebäude vom Reiche übernommen worden. Die Posthalterei besteht seit 1887, die Herr Gotthilf Richter übernahm, später von Herrn Paul Männel und jetzt durch Wilhelm Piper ausgeübt wird. Dem Postamt im Bahnhofsgebäude standen vor die Direktoren Ruppel (†) und Buchheim (†). Diesen folgten im Postamt auf der Schubertstraße die Direktoren Reichert (†), Rabis (†), Knoblauch (†), Rascher (†), Kießig (†), Seidel (†) und der nunmehrige Vorsteher Herr Polizeidirektor Michael, den unsere besten Wünsche in seinen neuen Wirkungskreis begleiten.
11. Februar 1915
Einem gesegneten Lebenslauf hat der Altbezwinger Tod abermals seinen Abschluß gegeben: gestern starb der älteste Einwohner unserer Neustadt, Herr Ernst Ferdinand Koch, im Alter von 88 Jahren. Mit ihm ist ein schlichter, ruhiger Mann dahingegangen, dem das Wohl der Vaterstadt wie des Vaterlandes stets am Herzen gelegen hat. Als eifriger Anhänger und Verfechter Jahnscher Ideen erlebte auch er die unruhigen Tage des Jahres 1848 mit und half die deutsche Turnerschaft eifrig mit fördern.
Ersprießlich war er eine lange Reihe von Jahren im Vorstand der hiesigen Weber-Innung tätig und das Vertrauen seiner Mitbürger berief ihn in die Bürgervertretung der damaligen Stadt Ernstthal; er übte dieses Amt auf die Dauer mehrere Wahlzeiten aus. Nun ruht er aus von einem langen und gesegneten Leben. Ein ehrendes Gedenken wird ihm sicher sein.
16. Februar 1915
Mit allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs hat das Königliche Ministerium des Innern Herrn Privatmann Friedensrichter Bohne hier anlässlich seines Ende 1914 erfolgten Ausscheidens aus dem Ratskollegiums in Anerkennung seines langjährigen verdienstvollen Wirkens für die Stadt Hohenstein- Ernstthal den Titel „Stadtrat“ verliehen. Am vergangenen Sonnabend fanden sich Herr Stadtrat Layritz in der Wohnung des Herrn Bohne ein. Herr Stadtrat Anger als stellv. Bürgermeister und Herr Stadtrat Layritz in der Wohnung des Herrn Bohne die ihm gewordene Auszeichnung und brachte ihm die herzlichen Glückwünsche des Stadtrates dar.
21. Februar 1915
Ein nachahmenswertes Beispiel von Nächstenliebe gab die Arbeiterschaft der Firma C. F. Jäckel (Inh. Herr Georg Layritz) hier. Die Arbeiterschaft dieser Webfirma hielt fast jedes Jahr aus den Erträgnissen der Strafgeldkasse ein kleines Vergnügen ab. Mit Rücksicht auf die ernste Zeit wurde dieses Jahr jedoch davon abgesehen und beschlossen, von diesem Gelde jedem im Felde stehenden Mitarbeiter vorläufig ein Liebesgabenpaket im Werte von 2 Mk. zu senden und den Angehörigen zweier im Kriege gefallener verheirateter Mitarbeiter ein annehmliches Geldgeschenk zu überweisen.
28. Februar 1915
Am 26. Februar feierten Herr privatis. Photograph Friedrich Lasch und Frau das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Das Jubelpaar, welches diesen Ehrentag noch in voller Rüstigkeit im Kreise reichlich erschienener Familienmitglieder begehen konnte, wurde von Herrn Pfarrer Albrecht im Hause eingesegnet und es wurde ihm von diesem eine Prachtbibel überreicht. Reichliche Blumenspenden sowie sonstige Aufmerksamkeiten von nah und fern wurden dem Jubelpaar zuteil.
*1 heute Gaststätte „Postgut“
*2 heute Friedrich-Engels-Straße