Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv
Vor 100 Jahren ... (Oktober 1915) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
65. Jahrgang (1915) (Rechtschreibung im Original)
22. Oktober 1915
Schwer verunglückt ist, anscheinend durch eigenes Verschulden, der in der Betriebsleitung der elektrischen Ueberlandbahn beschäftigte kaufmännische Lehrling Krämer. Beim Verschieben von Wagen auf dem hiesigen Güterbahnhof geriet er zwischen die Puffer zweier Straßenbahnwagen und erlitt dabei so schwere Verletzungen an der rechten Hand, daß er nach dem Kreiskrankenstift Zwickau gebracht werden mußte.
24. Oktober 1915
Herrn Max Reinhard, Leutnant d. R. im Reserve-Feld- Artillerie-Regiment Nr. 40, Sohn des Herrn Kommerzienrat Reinhard hier, ist das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern vom Albrechtsorden verliehen worden. Der Ausgezeichnete ist in hervorragender Weise bei den letzten schweren Kämpfen in der Champagne beteiligt gewesen. Für gleiches tapferes Verhalten ist der Pionier Herr Walter Hötzsch in der Minenwerfer-Kompagnie Nr. 224, Sohn des Herrn Baumeister Hötzsch hier, mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden.
26. Oktober 1915
Die Weberinnung konnte heute aus der Stiftung des verstorbenen Herrn Friedensrichter und ehemaligen Weberobermeisters Thiele an zehn bedürftige Meister der Neustadt je einen Betrag von 10 Mk. verteilen lassen. Weiter war es der Innung möglich, zehn weiteren Meistern der Altund Neustadt noch je einen ansehnlichen Betrag übergeben zu können, der von Herrn Privatmann Karl Scheer aus Anlaß seines kürzlich stattgefundenen 50jährigen Meisterjubiläums zur Verfügung gestellt worden war.
Von der Leitung der Neustädter Schule wird uns geschrieben: Mittwoch, den 27. Oktober, also morgen, werden Schulknaben an allen Wohnungen im Ortsteil Neustadt anklopfen und um gebrauchtes Schuhwerk aller Größen für Erwachsene, schulpflichtige und vorschulpflichtige Kinder sowie Lederreste aller Art bitten. In vielen Familien wird Schuhwerk aufbewahrt, dem die Familienmitglieder entwachsen sind oder das abgenutzt ist. Wir ersuchen höflichst, die Schuhpaare zusammenzubinden. Die Schüler haben einen schriftlichen, von der Schule abgestempelten Ausweis. Es wird herzlich gebeten, der Sammlung zu einem reichen Erfolg zu verhelfen. In einer Schule eines Nachbarortes holten die Knaben 650 Paar reparaturfähige Schuhe ein.
27. Oktober 1915
Schweres Leid bringt der Krieg auch über die Familie Fritzsche auf der Chemnitzer Straße. Kurz nacheinander erlitten den Heldentod der Schwiegersohn der Frau verw. Fritzsche, der zuletzt in Oberlungwitz an der Nutzunger Straße wohnende Herr Richard Trinks, und ihr eigener Sohn, den Infanterist Herr Kurt Fritzsche. Besonders erschütternd wirkt der Fall um deswillen, als der Sohn, kurz nachdem er der Mutter den Tod seines Schwagers mitgeteilt, selbst das tödliche Blei erteilte. Das Vaterland erblühet groß aus seinen Heldensöhnen.
28. Oktober 1915
Am kommenden Freitag ist es dem auf der Gartenstraße wohnenden Webermeister Karl Aug. Ranft vergönnt, mit seiner Gattin, geb. Wagner, das goldene Ehejubiläum bei noch seltener körperlicher und geistiger Frische feiern zu können. Auch wir wünschen dem geachteten Jubelpaar, das von des Lebens Stürmen nicht verschont wurde und das drei Söhne im Felde stehen hat, noch einen langen sonnigen Lebensabend.
31. Oktober 1915
Vom Pfarramt St. Christophori wird uns mitgeteilt, daß Herrn Pfarrer Dybeck die Seelsorge allein zu versehen hat, von nächster Woche ab eine geistliche Hilfskraft zur Seite stehen wird. Herr Gerstmayer, gegenwärtig in Dresden, ein früherer bayrischer Geistlicher, der auch viele Jahre an einer Privat-Knabenschule wirkte, wird sich mit dem Herrn Pfarrer in die Seelsorge teilen. An unsere Kirchgemeinde ergeht die herzliche Bitte, diesem Herrn in jeder Hinsicht Liebe und Vertrauen entgegenzubringen.
Herbst in unserer Stadt
Matter wird schon der Sonnenschein,
Nebel hüllt Hohenstein und Ernstthal ein
und der Pfaffenberg, Wahrzeichen unserer Stadt,
einen grauen Schleier um sich hat.
Die Vögel still geworden sind
und mit farbigen Blättern spielt der Wind.
In Straßen und Gassen, nun früh im Dunkeln,
müde die Straßenlaternen funkeln,
denn länger spenden sie nun schon Licht,
denn die Sonne zeigt sich ja noch nicht.
Die Menschen tragen schon etwas wärmere Kleider
und streben etwas eiliger weiter,
um ihre Arbeitsstätten zu erreichen
und dem tristen Draußen zu entweichen.
Doch dann schafft sich die Sonne Bahn,
ein goldener Oktobertag bricht an.
Es hat bewirkt ein leichter Wind,
dass die grauen Schwaden verschwunden sind.
Und sieh des Pfaffenbergs Höhen
kann man im bunten Laubkleid sehen.
All überall, fast um die Wette,
öffnet sich noch einmal die Farbpalette,
mit der die Natur uns Menschen will zeigen:
Nimm Abschied von des Herbstes Reigen.
Erfreue dich noch einmal an des Herbstes Pracht,
bevor sie kommt, des Winters Nacht.
Bürger, denkt immer daran, es ist nicht verkehrt,
unsere Stadt ist auch im Herbst eine Reise wert.
Verfasser unbekannt