Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv
Vor 100 Jahren ... (Oktober 1918) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
68. Jahrgang (1918) (Rechtschreibung im Original)
02. Oktober 1918
In der am Dienstagabend unter Vorsitz des stellv. Vorstehers Herrn Krumbiegel abgehaltenen Stadtverordnetensitzung wurde eine 15 Punkte umfassende Tagesordnung erledigt. U. a. wurden 2000 Mk. Kosten für die Wiederherstellung der Motoranlage im Wasserhebewerk am Silbergäßchen bewilligt, die – es ist nicht festzustellen, ob durch Kurzschluß, infolge Stromschwankung, durch Blitzschlag oder dergleichen – ausgebrannt ist. Zum Preise von rund 1000 Mk. soll eine fahrbare Montageleiter für die städtische elektrische Abteilung beschafft werden. Schließlich genehmigten die Stadtverordneten die Aufnahme eines größeren Darlehens. Statt der beanspruchten Million kann die Stadt jetzt nur eine halbe Million erhalten zum Auszahlungskurs von 95,10 Mk.; Die Schuld soll 15 Jahre gegenseitig unkündbar sein.
11. Oktober 1918
Ende Mai hatte der hier wohnhafte, mehrfach vorbestrafte 35jährige Maschinenarbeiter Willy Fritzsche einen dem Architekten Heinig gehörigen wertvollen Schäferhund von der Straße weg gestohlen und ihn in die Pfanne wandern lassen, was beim Bergarbeiter Sturhahn in Lugau vor sich ging. Die erste Strafkammer des Landesgerichts Zwickau verurteilte Fritzsche jetzt wegen Rückfallsdiebstahls zu fünf Monaten und Stuhrhahn wegen Hehlerei zu fünf Tagen Gefängnis.
20. Oktober 1918
22. Oktober 1918
Wie stets bei seinen Veranstaltungen sah der Turnerbund gelegentlich seiner am gestrigen Sonntag im Schützenhause abgehaltenen Abend-Unterhaltung ein volles Haus, was ihm umso mehr zu gönnen ist, als er die aus ihnen gewonnenen Erträge zur Auffüllung seiner gerade in der Jetztzeit notleidenden Hallenbaukasse verwendet. Die Vortragsfolge war abwechslungsreich und die Darbietungen im Einzel- wie Gesamtspiel zeigten, daß die Mitwirkenden gute spielerische Kräfte sind, die alles daransetzen, ihre Gäste aufs beste zu unterhalten. Ueberwiegend war das heitere Spiel vertreten. Die Herzen rührten die Wiedergabe des Schauspiels „Heimatlos“ von Chr. Grönewald während die Einzelvorträge wie das Lustspiel „Schweres Geschütz“ von Philippi und der Schwank „Heute großes Schlachtfest“ die Lachmuskeln der Zuschauer in steter Bewegung hielten; hier fanden besonders gut veranlagte Kräfte Gelegenheit, sich mit ihrem Spiel bei den Gästen einzuschmeicheln. Das Ganze hinterließ den denkbar besten Eindruck, der Beifall wollte fast kein Ende nehmen.
27. Oktober 1918
Die Grippe zeigt in unserer Stadt noch keine Abnahme, vielmehr ist nach gewissen Anzeichen eine Steigerung der Erkrankungen zu bemerken. Wie wir hören, ist vorläufig eine Verlängerung der Krankheitsferien unserer Schulen nicht in Aussicht genommen; sollte sich am Montag früh bei Beginn der Schule erkennen lassen, daß der Krankheitsstand der Kinder immer noch ein recht erheblicher ist, so sollen dann erst eventuelle Maßnahmen beschlossen werden. Von weitergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, wie sie eine Reihe von Großstädten, u. a. auch Chemnitz, eingeführt haben, soll für unsere Stadt, da ihre Notwendigkeit noch nicht vorliegt, fürs erste noch abgesehen werden. Im übrigen möchten wir nochmals darauf aufmerksam machen, daß der wirksamste Schutz vor der Grippe vor allem im persönlichen Verhalten begründet liegt; fleißiges Ausspülen des Mundes und der Nase mit einer Lösung von Kochsalz oder übermangansaurem Kali, öfteres Waschen der Hände, Vorsicht beim Husten, Niesen und Räuspern, für unsere Geschäftsleute öfteres Reinigen der Ladentafeln, Laufstangen usw. mit irgendeinem der desinfizierenden Waschmittel und das Meiden von Räumen, wo mit größeren Ansammlungen von Menschen zu rechnen ist.
31. Oktober 1918
Am 19. d. M. sind die letzten Kinder aus dem Bethlehemstifte fortgezogen. Das Stift hat nun seine Jahrespflege wieder beendet. Die böse Grippe hatte diese zuletzt noch arg gestört. Das Stift mußte vorzeitig geschlossen werden, etwa 90 Kinder blieben aber bettlägerig zurück, einige davon lagen recht schwer, die allermeisten machten sich aber rasch wieder heraus. Es war jedenfalls das beste, daß man sie nicht nach Hause holte, sondern ruhig im Stift ließe, wo sie die sorgsamste Pflege genossen. Beim üblichen Wiegen zuletzt stellte sich ein Ergebnis heraus, daß nicht zu erwarten gewesen war. Von den 72 Kindern, die bis zuletzt geblieben waren, während alle Tage zuvor schon Kinder nach Hause abgeholt wurden, hatten 17 um 7, 8 um 8, 5 um 9, 10 um 10, 4 um 11, 2 um 12 Pfund zugenommen. Die große Hälfte hatte den sonstigen Durchschnitt, 6-7 Pfund, mehr oder weniger übertrumpft. Sie sind ja freilich ganz besonders gut ausgefüttert worden, da bei dem starken Sinken der Mäulerzahl zuletzt reichliche Vorräte zur Verfügung waren. Immerhin bleibt eine derartig hohe Gewichtszunahme verwunderlich. Sie deutet aber doch auch mit darauf hin, wie stark die Kinder jetzt zurückgekommen sind und wie groß ihre rasche Zunahmefähigkeit ist. Ein Chemnitzer Ehepaar, das den zweiten Kriegsjungen taufen lassen konnte, gab seiner Freude dadurch Ausdruck, daß es dem Stifte 1000 Mk. schenkte, die womöglich zur Erweiterung der Krankenstation verwendet werden sollen. Aus unserer Stadt haben in diesem Jahre mehr Kinder als sonst die Wohltat der Pflege genossen.