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Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv

Vor 100 Jahren ... (Dezember 1919) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt

 69. Jahrgang (1919)  (Rechtschreibung im Original)

03. Dezember 1919

03. Dezember 1919
Der Transport eines großen Dampfkessels erregte gestern auf der Goldbachstraße berechtigtes Aufsehen. Der für die Firma J. G. Böttger bestimmte Kessel war vom Güterbahnhof auf einem besonders stark gebauten Wagen von einer Dampfwalze und 12 Pferden gezogen, bis kurz hinter die Bahnunterführung gebracht worden, wo jedoch alle Bemühungen, ihn weiterzuschaffen, scheiterten. Er soll nun langsam von Meter zu Meter durch Winden bis zum Ende der Steigung an Lieberknechts Fabrik gebracht, von da an auf der Ebene durch Pferde gezogen und das letzte Stück wieder hinauf bis in den Fabrikhof gewunden werden, sodaß der Transport mehrere Tage beanspruchen wird.

04. Dezember 1919
Der Dampfkessel, von dessen schwierigem Transport wir gestern berichteten, ist bis heute Mittag durch Winden doch ein ziemlich großes Stück weiter nach Lieberknechts Fabrik zugebracht worden. Heute nachmittag soll nun versucht werden, ihn mit 24 Pferden bis zur Kreuzung Schillerstraße zu schaffen, wo freilich erneut Schwierigkeiten entstehen werden.

10. Dezember 1919
Feueralarm ertönte gestern abend gegen ¼ 7 Uhr in den Straßen unserer Stadt; in dem Hause Karlstraße 1 war in der Werkstatt des Sattlermeisters Berger dadurch ein Stubenbrand ausgebrochen, daß aus dem überhitzen Ofenrohr ein Funke herausgesprungen war und daß in der Nähe liegende Sattlermaterial in Brand gesetzt hatte. Mit Hilfe einiger Nachbarn und Hausbewohner gelang es Herrn Berger, das Feuer im Keime zu ersticken, doch entsteht ihm ein Schaden von rund 1000 Mark, da verschiedene ihm zur Reparatur übergebene Sachen, die nicht versichert waren, mit abgebrannt sind. Eine arme Frau hat gestern vormittag in der 10. Stunde auf der Dresdner Straße zwischen den Geschäften von Fichtner und Beck ihr Geldtäschchen mit 32 Mk. und zwei Brotmarken verloren. Der Finder wird gebeten, es angesichts der Vermögenslosigkeit der Verliererin im Fundamt abzugeben. – Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß der Rentenempfänger Sch. seine Brieftasche mit Geld und Lebensmittelmarken noch vor der Veröffentlichung in unserer Zeitung wiederbekommen hat.

18. Dezember 1919
Der Gasthof „Stadt Chemnitz“ ist wie wir hören, vom jetzigen Besitzer Herrn Hoyer an einen Chemnitzer Pferdehändler verkauft worden, während Herr Hoyer ein Haus auf der Chemnitzer Straße*1 käuflich erworben hat. Der neue Besitzer wird den Gasthof, der sich unter Herrn und Frau Hoyer eines guten Rufes erfreute, wahrscheinlich am 1. Januar übernehmen.

21. Dezember 1919
Wie weit heutzutage die Frechheit der Diebe geht, davon ein Erlebnis aus eigener Erfahrung: Da jetzt sehr viele nicht wissen, daß die Türklinke dazu da ist, sie in die Hand zu nehmen, um die Türe möglichst geräuschlos zu schließen und da der automatische Türschließer von der Fabrik als angeblich irreparabel zurückkam, hatten wir an unserer Haustür ein aus kräftigem hellen Leder hergestelltes Säckchen befestigen lassen, um das heftige nerven- und hauserschütternde Zuschlagen der Tür zu verhindern. Der Apparat funktionierte tadellos, da nahte das Verhängnis. Am Montag vormittag war er angebracht worden, am Donnerstag abend gegen 6 Uhr, also zur Zeit des denkbar stärksten Verkehrs im Hause, ist er gestohlen worden. Bei der als einer der hervorragendsten Errungenschaften der glorreichen Revolution heute herrschenden Verwilderung aller sittlichen Begriffe und der vollkommenen Mißachtung von Recht, Ordnung und Gesetz denken wir nicht daran, staatliche oder städtische Gewalten gegen den Dieb in Bewegung zu setzen. Wir hoffen und wünschen aber, da die früher bekannten Gewissensbisse heute nicht mehr zählen, daß die Stiefeln, die sich der Halunke mit unserem Leder besohlt oder sonstwie wiederhergestellt hat, ihn so drücken mögen, daß er bei jedem Schritte sich seines Unrechts bewusst wird und ihm seine Missetat von Minute zu Minute fühlbarer wird. Sollte aber ein blinder Zufall uns in den Stand setzen, uns über die Person des Mausediebstahls zu vergewissern, so werden wir ihn so kräftig auf die Finger klopfen, daß ihm für längere Zeit die Lust vergeht, sie nach fremden Gute auszustrecken.

31. Dezember 1919
Gassperrstunden.
Die Einwohnerschaft wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß während der Gassperrstunden kein Gas entnommen werden darf.
Die Sperrstunden sind von vorm. 8 bis nachm. 4 Uhr.
Hohenstein-Ernstthal, am 29. Dezember 1919
Der Stadtrat.

*1 = heutige Pölitzstraße