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Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv

Vor 100 Jahren ... (Juli 1917) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt

67. Jahrgang (1917)  (Rechtschreibung im Original)

01. Juli 1917
Einen verwegenen Diebstahl führte ein neunjähriger Junge aus, der von der elterlichen Wohnung aus über das Dach des Hauses hinweg einem Nachbarhaus einen Besuch abstattete, aus der Wohnung einer Kriegesfrau außer Nahrungsmitteln drei Kisten Zigarren zu je 50 Stück stahl und die Beute daheim versteckte. Die Polizei konnte den größten Teil des Gestohlenen wieder herbeischaffen und der Frau zurückgeben.
Im Badteich versuchte sich gestern eine hier auf der Schubertstraße wohnhafte Frau zu ertränken. Eine andere Frau, die zufällig des Weges kam, verhinderte sie an ihrem Vorhaben.

05. Juli 1917
Der unerbitterliche Tod hat dem Leben eines Mannes ein frühes Ziel gesetzt, der zu weiten Kreisen unserer Einwohnerschaft in den engsten Beziehungen stand: Gerhard Neumann ist einem tückischen Leiden, das ihm viele Qualen brachte, erlegen. Vornehmlich in Sängerkreisen hatte sein Name einen guten Klang und wird ihn auch fürderhin haben; welche Förderung der deutsche Männergesang durch ihn erfahren hat, das wissen die Angehörigen der von ihm geleiteten Vereine – Arion, Bäckermeister-Gesangsverein und Sängerabteilung des Turnerbundes – rücksichtslos zu würdigen. Den Schmerz über seinen Verlust empfinden sie alle gleich schwer.

13. Juli 1917
Eine Zeit traurigen Gedenkens ruft der gegenwärtige Monat in der Erinnerung wach. Am 23. Juli vollenden sich 30 Jahre, daß unsere ehemalige Stadt Hohenstein von einem größeren Schadenfeuer heimgesucht wurde. An diesem Tage früh gegen 3 Uhr brach in einer der an der ehemaligen Lichtensteiner (Jetzt Bismarck-) Straße gelegenen 4 Scheunen ein Feuer aus, das die Scheunen schnell einäscherte. Durch die Glut der Flammen gerieten auch die gegenüberliegenden Häuser in Brand und binnen kurzer Zeit waren fast gleichzeitig das Haselhunsche (die jetzige Schrapsche Fabrik) und Bauersche Restaurant, sowie das Lohsesche Haus vollständig niedergebrannt. Um dem Feuer Einhalt zu tun, mußten das Haus des Kürschnermeisters Dietrich und des Nähmaschinenhändlers Roscher, sowie die Feigsche Scheune niedergerissen werden. Obdachlos wurden damals 12 Familien mit 43 Köpfen. Die Löscharbeiten wurden durch umfangreiche Erdarbeiten an dieser Straße erschwert. Das Feuer war angelegt worden, doch konnte der Brandstifter nicht überführt werden.

25. Juli 1917
Bisher haben wir hierorts noch nie Gelegenheit gehabt, eine Fliegerlandung zu beobachten. Kein Wunder darum, daß eine solche die Menschen in Scharen anlockt. In der zehnten Vormittagsstunde ertönte über der Stadt auffällig lautes Geräusch, das plötzlich fast ganz verstummte:


ein tiefgehender Flieger senkte sich mehr und mehr und endete seinen Gleitflug auf der Kleindienstlichen Wiese neben der Scheune an der Straße nach Langenberg. Bei der Landung
widerfuhr dem Flugzeug das Mißgeschick, das beim Ueberfahren einer Bodenvertiefung die linke hintere Tragfläche derart beschädigt wurde, daß sie Herrn Schloßermeister Lange zur Wiederherstellung in Arbeit gegeben werden musste, der den Schaden in kurzer Zeit vollständig heilte. Es handelt sich um das Flugzeug Nr. 46 der Fliegerschule (Herzog Carl Eduard Schule) zu Gotha, das dort heute früh bei klarem Wetter mit dem Ziel Chemnitz aufgestiegen war. Es hatte 8000 Meter Höhe erreicht und kam hier in eine dicke Wolkenschicht, was zur Folge hatte, daß der Flugschüler sein Ziel verfehlte. Um
sich in der Gegend zurecht zufinden, stellte er den Motor ab und ging 2 ½ Minuten auf 400 Meter herab, um dann den Gleitflug über unserer Stadt auszuführen. Kurz nach ¾ 1 Uhr war das Flugzeug wieder instandgesetzt und wandte sich seinem Ziele zu, das es hoffentlich wohlbehalten erreicht hat.

27. Juli 1917
Einen schweren Unfall erlitt gestern nachmittag ein Radfahrer, der leichtsinnigerweise den Altmarkt heruntergefahren kam, dabei die Gewalt über sein Rad verlor und in ein Schaufenster des Emil Beckschen Geschäfts fuhr, das zertrümmert wurde. Der Radfahrer erlitt beträchtliche Verletzungen.

28. Juli 1917
Wie uns vom Rathaus mitgeteilt wird, hat der Wirt des Gasthofes „Zu den Drei Schwanen“ infolge verletzender Artikel der „Volksstimme“ die Weiterführung der von ihm übernommenen Volksküche über den 28. Juli hinaus abgelehnt. Es kann infolgedessen vom 30. Juli ab nur noch in der Neustädter Volksküche und anstatt, wie bisher, für 800 Personen nur noch für 500 Personen täglich gekocht werden. Der Markenverkauf für die bestehen bleibende Volksküche in der Neustädter Schule findet wie üblich im Stadthause statt.

29. Juli 1917
Trotz des Krieges herrscht im Bethlehemstift im Hüttengrund reges Leben. Im Laufe dieser Woche trafen dort wieder 200 Kinder zu vierwöchigem Erholungsaufenthalt ein. Die Ernährung der Kleinen, die vorwiegend aus der Chemnitzer Gegend stammt, ist sichergestellt. Auch bei Herrn Gutsbesitzer Oehmichen im Hüttengrund sind Kinder zur Erholung untergebracht, darunter solche aus Dresden.

31. Juli 1917
Ein wahrscheinlich grundloses Geschwätz, verursacht durch einige Frauen, macht gegenwärtig wieder einmal die Runde durch unsere Stadt. Man wollte an den Eisenhöhlen im fürstlichen Walde einen russischen Flüchtling gesehen haben. Daraufhin ließen die Behörden eine teilweise Durchsuchung des Waldgeländes vornehmen, jedoch ohne Erfolg.