Historische Rückblicke aus dem Stadtarchiv
Vor 100 Jahren ... (Juni 1917) Auszüge aus dem Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
67. Jahrgang (1917) (Rechtschreibung im Original)
01. Juni 1917
Bei der hiesigen Polizeiwache im Rathaus befinden sich zwei Schlüssel (ein Haustür- und ein Vorsaalschlüssel) in Verwahrung, die sich in Besitz von in Zwickau angehaltenen Kindern befanden, die sie ihrer Auslage nach in einem Fabrikgrundstück in unserer Stadt bzw. der Umgebung gestohlen haben wollen. Der oder die Verlustträger können ihr Eigentum auf der Wache in Empfang nehmen.
08. Juni 1917
In unserer Stadt ließen seit einiger Zeit Gerüchte um über einen schweren Diebstahl im Rathause, und diese Gerüchte haben sich jetzt zur Tatsache verdichtet. An dem Verbrechen sind drei junge Leute beteiligt, von denen der eine, G., auf dem Rathause beschäftigt war und den Dieben Vorschub leistete; die beiden anderen, die zu dem sauberen Kleeblatt gehören, sind der Dekorateur K. der bis vor kurzem in einem hiesigen großen Geschäft angestellt war, und der noch recht jugendliche Handlungsgehilfe H., der seinem Brotherrn außerdem durch Unterschlagungen und sonstigen Betrug größeren Schaden zufügte. Alle drei lebten in Saus und Braus und machten sich schon hierdurch verdächtig, daß sie jetzt der Tat überführt wurden. Der Letztgenannte ist bereits verhaftet, der Dekorateur dürfte gleichfalls in Nummer Sicher sein, nachdem telegraphischer Haftbefehl nach seinem auswärtigen Militärdienste. Den Dieben waren rund 670 Mark in die Hände gefallen, die sie verjubelten.
14. Juni 1917
Am vergangenen Sonntag war unsere Stadt stundenlang ohne elektrische Versorgung. Angeblich wurde irgendwo gebaut und die Tatsache daß irgendwo gebaut wurde, soll an einzelnen Stellen in der Stadt angeschlagen gewesen sein. Eine solche Maßnahme ist natürlich vollkommen unzulänglich, da der Anschlag nur den wenigsten zu Gesicht kommt. Weshalb wird denn nicht, wie dies früher gehandhabt wurde, unsere Redaktion von der bevorstehenden Ausschaltung des Stromes in Kenntnis gesetzt, um durch eine kurze Notiz im örtlichen Teile darauf hinzuweisen? Eine bei weitem ärgerlichere Kalamität trat aber heute morgen in Erscheinung: Gegen ¾ 7 versagte plötzlich der Wasserzufluß. Bis ½ 11 Uhr mußten alle Betriebe, alle Haushaltungen, die in den Morgenstunden ja doppelt Wasser nötig haben, sich gedulden, dann begann langsam das Wasser wieder zu fließen.
Auf unsere Anfrage beim Stadtbauamt kurz nach 8 Uhr erhielten wir von einem Schreiberlehrling die treffende Auskunft, das Wasser werde schon wieder kommen. Die geistreiche Antwort vermochte uns freilich nicht zu befriedigen und so erfuhren wir denn auf Umwegen, daß der Hochbehälter auf dem Pfaffenberg durch die erhöhte Inanspruchnahme am gestrigen Abend vollkommen leer gelaufen war, sodaß da weder abends noch nachts gepumpt worden war, heute Morgen selbstverständlich kein Wasser zur Verfügung stand. Da unsere Stadt über vollkommen ausreichend Quellzufluß verfügt, so werden Maßnahmen zu treffen sein, die solche Vorkommnisse fürderhin unmöglich machen. Wenn kürzlich – das sei bei dieser Gelegenheit mit erwähnt – der Stadtrat Sparsamkeit im Wasserverbauch empfahl, da das nötige Oel für den Betrieb der Motoren mangele, so ist das in heutiger heißer regenloser Zeit schwer durchzuführen. Jedermann baut Gemüse und jedermann muß, um seine Pflanzen zu erhalten, diese benetzen. Das erfordert natürlich einen erhöhten Wasserbedarf, der, da wir eben Wasser genug haben, bei geeigneten Vorkehrungen auch gedeckt werden kann. Da schon seit langem sich eine Knappheit an Oel geltend macht, so hätten die Zeiten Maßnahmen getroffen werden müssen, um den Betrieb der Motoren elektrisch aufrecht zu erhalte. Wir können doch nicht eines Tages vor der Tatsache stehen, daß uns das Betriebsöl vollständig fehlt und daß damit unsere Stadt zum großen Teil ohne Wasser ist.
26. Juni 1917
Den Glocken unserer Kirche dürfte nunmehr nur noch eine kurze Lebensdauer beschieden sein: Zu Geschützen umgegossen, sollen sie uns den Sieg bringen helfen. Vor ihrem Rufe, der mit trauten Ton über Berg und Tal drang und die Gläubigen zu Gebet rief, sollen Deutschlands Feinde zittern, wenn er sich zum Donner erhebt in hartem Kampfe. Im gestrigen Vormittagsgottesdienste in der Kirche St. Christophori wurde mitgeteilt, dass die Glocken voraussichtlich zum letzten Mal geläutet haben; demnächst schickt die Firma Schilling & Söhne in Apolda ihre Beauftragten, die sie übernehmen und zum Einschmelzen bereit machen. Wann die Abnahme der Glocken der St. Trinitatiskirche erfolgt, steht noch nicht fest.